Hochschulmarkt liberalisiert: Numerus clausus verliert an Bedeutung

Eine CHE-Analyse dokumentiert den strukturellen Wandel bei Studienzugangsbeschränkungen aufgrund der demografischen Entwicklung.
Demografischer Wandel transformiert Hochschullandschaft
Der deutsche Hochschulsektor durchlebt eine fundamentale Marktliberalisierung. Lediglich 32,5 Prozent der Studiengänge für das Wintersemester 2025/2026 unterliegen noch Zulassungsbeschränkungen - ein Rückgang um 2,7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklung reflektiert die Kombination aus sinkenden Erstsemesterzahlen und expandierendem Studienangebot. Das Centrum für Hochschulentwicklung dokumentiert einen kontinuierlichen Trend: Vor einer Dekade lag die NC-Quote noch bei 42 Prozent. Die systematische Reduzierung von Zugangshürden verändert die Wettbewerbsdynamik zwischen Hochschulen und verschiebt die Marktmacht zugunsten der Studierenden.
Regionale Disparitäten bei Zugangsbeschränkungen
Berlin führt mit 54,4 Prozent zugangsbeschränkter Studiengänge, gefolgt von Baden-Württemberg mit 50,2 Prozent. Diese Ballungsräume profitieren von hoher Nachfrage und können selektive Zulassungsverfahren aufrechterhalten. Strukturschwächere Bundesländer wie Thüringen (18,0 Prozent), Rheinland-Pfalz (17,7 Prozent) und Brandenburg (17,4 Prozent) konkurrieren hingegen um Studierende durch liberalisierten Zugang. Diese geografische Segmentierung spiegelt unterschiedliche Marktpositionen wider: Attraktive Standorte behalten Marktmacht, während periphere Regionen durch Zugänglichkeit kompensieren müssen.
Fachspezifische Zugangsdifferenzierung
Rechts-, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften behalten mit 40 Prozent überdurchschnittliche Beschränkungsquoten, während Ingenieurwissenschaften nur ein Drittel ihrer Programme limitieren. Diese Diskrepanz reflektiert Arbeitsmarktdynamiken: Geisteswissenschaftliche Überversorgung kontrastiert mit Ingenieursmangel. Selbst traditionell restriktive Bereiche wie Medizin und Pharmazie verzeichnen verbesserte Bewerber-Studienplatz-Relationen. Der Liberalisierungstrend erfasst somit auch bundesweit regulierte Segmente.
Strukturelle Marktimplikationen
Masterstudiengänge zeigen mit 33,8 Prozent höhere Beschränkungsquoten als Bachelorstudiengänge (30,6 Prozent), was die Selektivitätssteigerung in höheren Qualifikationssegmenten unterstreicht. Hochschulen differenzieren zunehmend zwischen Breitenzugang im Grundstudium und elitärer Selektion in Spezialisierungsphasen.
Volkswirtschaftliche Implikationen
Die Zugangsliberalisierung demokratisiert Hochschulbildung und reduziert sozioökonomische Barrieren. Gleichzeitig entstehen Risiken durch Qualitätsverwässerung und Überangebot in nachfrageschwachen Disziplinen. Unternehmen profitieren von größeren Talentpools, müssen jedoch verstärkt in eigene Selektions- und Entwicklungsprozesse investieren, da Hochschulzugang allein keine Qualitätsgarantie mehr bietet.