Der Deutsche Richterbund dokumentiert fast eine Million unerledigte Ermittlungsverfahren bundesweit. Trotz "Pakt für den Rechtsstaat" verschärft sich die Situation in der Strafverfolgung kontinuierlich.
Die deutschen Staatsanwaltschaften verzeichnen mittlerweile 981.633 anhängige Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte - ein Anstieg um 30.781 Fälle gegenüber Ende 2024. Allein im ersten Halbjahr 2025 gingen 2,7 Millionen neue Verfahren ein, wie eine aktuelle Erhebung des Deutschen Richterbundes bei den Landesjustizministerien ergab. Die Statistik erfasst ausschließlich sogenannte Js-Verfahren mit namentlich identifizierten Beschuldigten, was das tatsächliche Ausmaß der Arbeitsbelastung verdeutlicht.
Nordrhein-Westfalen führt mit 267.000 offenen Fällen, gefolgt von Hessen (109.008), Bayern (82.180), Baden-Württemberg (76.700) und Niedersachsen (73.741). Diese Verteilung spiegelt weitgehend die Bevölkerungsdichte wider. Bei den Neuzugängen dominiert ebenfalls NRW mit 645.337 Verfahren im ersten Halbjahr, vor Bayern (307.934) und Baden-Württemberg (291.400). Diese Zahlen verdeutlichen die strukturelle Herausforderung für die Justizorganisation.
Der Deutsche Richterbund identifiziert zwei Hauptfaktoren für die prekäre Lage: die zunehmende Komplexität und damit längere Bearbeitungsdauer von Strafverfahren sowie den kontinuierlichen Anstieg der Verfahrenseingänge. Diese Kombination erzeugt einen sich selbst verstärkenden Stau in der Rechtspflege. Besonders betroffen sind Delikte wie Diebstahl, Unterschlagung und Verbreitung pornografischer Inhalte, die häufig umfangreiche Ermittlungen erfordern.
Obwohl die Bundesregierung im "Pakt für den Rechtsstaat" 450 Millionen Euro bereitstellte, mangelt es an der praktischen Umsetzung. DRB-Geschäftsführer Sven Rebehn drängt die Länder, spätestens bei der Herbst-Ministerpräsidentenkonferenz konkrete Stellenzusagen zu machen. Baden-Württemberg nimmt eine Vorreiterrolle ein: Justizministerin Marion Gentges kündigte bereits Personalaufstockungen an, um die Verfahrensrückstände gezielt abzubauen.
Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer entstehen durch die Justizüberlastung längere Verfahrensdauern bei steuerstrafrechtlichen und wirtschaftskriminellen Ermittlungen. Diese Verzögerungen beeinträchtigen sowohl Mandantenberatung als auch Compliance-Verfahren erheblich. Die strukturelle Krise der Strafverfolgung erfordert dringend politische Lösungen, um die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.