Kasseler Finanzamt revolutioniert Steuerverfahren durch automatisierte Veranlagung

blog main image
August 25, 2025
25.08.2025
2 Minuten Lesezeit

Hessisches Pilotprojekt generiert Einkommensteuerbescheide ohne vorherige Steuererklärung – Melderegister-Daten ermöglichen proaktive Veranlagungsvorschläge.

Paradigmenwechsel von reaktiver zu proaktiver Steuerveranlagung

Das Finanzamt Kassel testet eine fundamentale Neugestaltung des Steuerverfahrens: Statt auf Steuererklärungen zu warten, erstellt die Behörde eigenständig automatisierte Veranlagungsvorschläge für das Steuerjahr 2024. Diese Innovation nutzt bereits vorliegende Meldedaten von Arbeitgebern, Rentenversicherern und Versicherungsunternehmen zur direkten Steuerfestsetzung. Steuerpflichtige erhalten fertige Bescheidsentwürfe zur Prüfung und müssen nur bei Widerspruch oder zusätzlichen Aufwendungen aktiv werden. Nach vierwöchiger Stillschweigezeit wird der Bescheid automatisch rechtskräftig. Diese Umkehrung der Beweislast reduziert den administrativen Aufwand für beide Seiten erheblich.

Digitalisierung als Bürokratieabbau-Instrument

Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz positioniert das Projekt als Service-Innovation: "Die Bürgerinnen und Bürger ersparen sich die Steuererklärung – und unsere Verwaltung steigert ihre Effizienz." Diese Doppel-Optimierung demonstriert das Potenzial digitaler Transformation in der Steuerverwaltung. Die technische Grundlage bilden elektronische Meldeverfahren, die der Finanzverwaltung bereits umfassende Informationen über Einkünfte, Versicherungsbeiträge und andere steuerrelevante Sachverhalte liefern. Die Automatisierung wertet diese Datenbestände systematisch aus und generiert plausible Veranlagungsvorschläge.

Flexible Korrekturmöglichkeiten erhalten Gestaltungsräume

Das System wahrt traditionelle Steuerpflichtenrechte: Zusätzliche Aufwendungen können während der Prüffrist geltend gemacht werden, alternativ bleibt die herkömmliche Steuererklärung möglich. Diese Flexibilität adressiert komplexe Sachverhalte, die automatisierte Systeme nicht erfassen. Die vierwöchige Prüffrist ermöglicht sorgfältige Durchsicht der Vorschläge und verhindert überstürzte Entscheidungen. Bei erfolgreicher Pilotphase plant Hessen die landesweite Ausweitung des Verfahrens.

Implikationen für Professional Services

Für Steuerberater entstehen ambivalente Auswirkungen: Während Routine-Veranlagungen automatisiert werden, steigt die Nachfrage nach Beratung bei komplexen Optimierungsstrategien. Die Automatisierung könnte Mandanten für die Bedeutung professioneller Steuergestaltung sensibilisieren. Gleichzeitig demonstriert das Projekt die Leistungsfähigkeit moderner Steuertechnologie und könnte ähnliche Initiativen in anderen Bundesländern inspirieren. Professional Services müssen ihre Wertschöpfung zunehmend auf beratungsintensive Bereiche konzentrieren, die maschinelle Bearbeitung übersteigen.