Zeiss-Finanzchefin Britta Alisa Layendecker lässt sich von einem 22-jährigen Unternehmer beraten – Reverse Mentoring revolutioniert Führungskräfte-Entwicklung.
Der klassische Mentoring-Ansatz erlebt eine fundamentale Umkehrung: Während traditionell erfahrene Führungskräfte jüngere Kollegen anleiten, dreht das Reverse Mentoring diese Dynamik um. Britta Alisa Layendecker, seit Januar CFO bei Zeiss Industrial Quality & Research, wagte dieses Experiment und ließ sich von einem 22-jährigen Startup-Gründer coachen.
Nach 16 Jahren beim Maschinenbauer Voith stand Layendecker vor der Herausforderung eines kompletten Branchenwechsels: Neue Märkte, unbekannte Produkte und veränderte Unternehmenskultur erforderten schnelle Anpassung. "So ein beruflicher Neustart ist aufregend und herausfordernd zugleich", reflektiert die 39-Jährige ihren Karriereschritt.
Dominik Klepek, CEO und Gründer der KI-Lernplattform Grammario sowie Forbes "30 Under 30"-Listenmitglied, übernahm die ungewöhnliche Mentorrolle. Das Digital-Native-Netzwerk "Digital 8" vermittelte die Partnerschaft über eine Online-Plattform und begleitete den vierwöchigen Austausch.
"Für mich war es auch die erste Erfahrung mit Reverse Mentoring. Ich hatte keine Vorstellung, wie es ablaufen würde", gesteht Klepek. Die geografische Distanz zwischen Oberkochen und Düsseldorf erforderte digitale Kommunikation – ironischerweise ein perfektes Beispiel für die thematisierten Veränderungen.
Layendeckers Lernziele umfassten zwei Kernbereiche: Künstliche Intelligenz-Tools für den Arbeitsalltag und das Verständnis der Generation Z. Klepek stellte ihr innovative Alternativen zu Power Point und Excel für CFO-typische Aufgaben wie Ergebnispräsentationen und KPI-Dashboards vor. Besonders aufschlussreich erwies sich die Analyse veränderter Kommunikationsgewohnheiten. "Mir war nicht klar, wie asynchron die junge Generation hier inzwischen unterwegs ist. Selbst im Berufsleben spielen Messengerdienste wie Whatsapp eine immer wichtigere Rolle, um sich kurz und bündig mit den Kollegen auszutauschen. Die klassische E-Mail wirkt da fast aus der Zeit gefallen", erkennt Layendecker.
Zeiss konkurriert intensiv um IT-Nachwuchs in einem digitalisierten Industrieumfeld. Klepek kritisiert traditionelle Recruiting-Ansätze scharf: "Die allermeisten Konzerne denken zu konservativ. Die Potentiale moderner Kanäle wie Instagram oder Tiktok werden nicht annähernd ausgenutzt, um junge Talente auf sich aufmerksam zu machen." Seine Empfehlungen fließen bereits in Zeiss' Social-Media-Strategie ein. Die CFO schätzt besonders Klepeks Außenperspektive auf Konzernroutinen: "Dominik schaut ganz anders auf so einen Konzernalltag und bemerkt Routinen, die mir nach so vielen Jahren selbstverständlich erschienen – nicht aber unbedingt immer effizient sein müssen."
Entgegen dem einseitigen Coaching-Klischee profitierte auch Klepek von der Zusammenarbeit. Die Einblicke in Konzernstrukturen und CFO-Verantwortlichkeiten erweiterten sein Verständnis für Corporate Finance. Dennoch bleibt er seinem Startup-Umfeld treu: Er schätze die Strukturen und kurzen Entscheidungswege bei Grammario zu sehr.
Layendecker empfiehlt CFO-Kollegen intrinsische Motivation als Erfolgsfaktor: "Intrinsische Motivation ist wichtig, denn bei dem Konzept muss man Arbeit hineinstecken." Die Bereitschaft zur Rollenumkehr sei entscheidend, da viele Führungskräfte es nicht gewohnt seien, von jüngeren Personen belehrt zu werden.
Für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung bietet Reverse Mentoring erhebliches Potenzial: Digital Natives können traditionelle Kanzleien bei Automatisierung, Client Communication und Nachwuchsgewinnung revolutionieren. Die Investition in generationenübergreifenden Wissenstransfer wird zum Wettbewerbsvorteil in einem sich beschleunigt digitalisierenden Professional Services-Markt.