Während Automatisierungspotenzial von 44 Prozent prognostiziert wird, verhindern formelle Anforderungen der ZPO den Einsatz künstlicher Intelligenz in Schiedsverfahren.
Eine Goldman Sachs-Studie identifizierte bereits 2023 erhebliches Automatisierungspotenzial im Rechtssektor: 44 Prozent aller juristischen Arbeitsschritte könnten durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden. Für die Schiedsgerichtsbarkeit, die traditionell mit Kritik bezüglich Verfahrensdauer und Kostenstruktur konfrontiert wird, böte KI-Integration theoretisch substantielle Vorteile. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit widmete ihre Frühjahrskonferenz vollständig dieser Thematik und evaluierte Implementierungsmöglichkeiten sowie rechtliche Beschränkungen automatisierter Entscheidungsfindung.
Die deutsche Rechtsordnung setzt klare Grenzen für KI-basierte Rechtsprechung. Art. 92 GG und die EU-KI-Verordnung (Erwägungsgrund 61) verlangen menschliche Entscheidungsträger. Diese Anforderung erstreckt sich auf die Schiedsgerichtsbarkeit: § 1036 Abs. 1 S. 1 ZPO spricht explizit von der "Person" des Schiedsrichters, § 1054 ZPO schreibt eigenhändige Unterschriften vor. Diese zwingenden Formvorschriften können weder durch KI-Systeme noch durch Blockchain-Technologie substituiert werden. Die Letztentscheidung muss nach geltendem Recht in menschlicher Verantwortung verbleiben.
Als potenzielle Umgehungsstrategie wurde der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut (§ 1053 Abs. 2 ZPO) diskutiert. Parteien könnten theoretisch KI-generierte Entscheidungsvorschläge durch einen ad hoc beauftragten menschlichen Schiedsrichter formalisieren lassen. Die Rechtsprechung zeigt niedrige Anforderungen für solche Consent Awards (OLG München NJOZ 2012, 2015; OLG Frankfurt Beck RS 2018, 49204). Der entscheidende Unterschied zur Vollautomatisierung liegt darin, dass Menschen den Antrag stellen und die formelle Entscheidung treffen müssen. Praktische Schwächen entstehen jedoch durch die erforderliche Konsensualität: Die unterlegene Partei wird selten freiwillig einem ungünstigen KI-Vorschlag zustimmen. Zudem darf der Inhalt nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstoßen.
Historische Analogien zeigen die Durchsetzungskraft effizienter Technologien. Übersetzungstools wie DeepL haben binnen weniger Jahre etablierte Dienstleister nahezu vollständig verdrängt. Prof. Dr. Jörg Risse prognostiziert eine ähnliche exponentielle Entwicklung für KI-basierte Rechtsprechung. Die Bundesrechtsanwaltskammer antizipierte diese Entwicklung durch KI-Nutzungshinweise (Dezember 2024) und signalisiert die Notwendigkeit proaktiver Anpassung. Funktionsfähige Technologie mit nachweisbaren Effizienzvorteilen setzt sich langfristig durch, unabhängig von anfänglichen regulatorischen Beschränkungen.
Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ergeben sich zwei primäre Handlungsoptionen: Spezialisierung auf KI-resistente Beratungsfelder oder Integration von KI-Tools zur Leistungsoptimierung. Bereiche wie komplexe Sachverhaltsbeurteilungen, Mandantenbeziehungsmanagement und kreative Problemlösungen dürften mittelfristig menschliche Expertise erfordern. Alternativ ermöglicht der strategische Einsatz von KI-Anwendungen Effizienzsteigerungen in Routinetätigkeiten und erweitert die Beratungskapazität. Die Digitalisierung von Compliance-Prozessen und automatisierte Datenanalyse werden bereits heute erfolgreich implementiert.
Die Integration von KI in Schiedsverfahren wird schrittweise erfolgen, zunächst als Entscheidungsunterstützung für menschliche Schiedsrichter. Vollautomatisierte Verfahren bleiben unter geltendem Recht ausgeschlossen, doch kreative Gestaltungen könnten Effizienzvorteile partiell realisieren. Für Professional Services gilt: Technologische Verweigerung ist keine nachhaltige Strategie. Die Frage ist nicht, ob KI-Integration erfolgt, sondern wie schnell und umfassend diese Transformation die Beratungsbranche erreicht.
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