Die Anwaltschaft drängt auf Grundgesetzänderung, um rechtlichen Beistand dauerhaft zu sichern. Artikel 19 soll um weiteren Absatz ergänzt werden, ohne staatliche Mehrkosten zu verursachen.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat in ihrer 169. Hauptversammlung eine bemerkenswerte Initiative beschlossen: Das Grundrecht auf unabhängigen anwaltlichen Beistand soll verfassungsrechtlich verankert werden. Der geplante neue Artikel 19 Absatz 5 würde jedem Menschen das Recht zusichern, sich in gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsangelegenheiten qualifizierten anwaltlichen Rat zu holen. Diese Forderung reagiert auf weltweite Bedrohungen des Rechtsstaats, selbst in etablierten Demokratien. Leonora Holling, Schatzmeisterin der BRAK, betont: "In Zeiten zunehmender Bedrohung dieser Rechtsstaatlichkeit sollte man sich auf den Bestand dieser Grundsätze nicht verlassen, sie nicht als selbstverständlich nehmen, sondern sie gezielt absichern."
Die Kammer wählte bewusst Artikel 19 als Standort für die Ergänzung. Dort garantiert bereits Absatz 4 den effektiven Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen. Ein separater fünfter Absatz würde klarstellen, dass rechtlicher Beistand nicht nur bei Behördenverfahren, sondern auch in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen und präventiver Beratung verfügbar sein muss. Diese Abgrenzung zur EU-Grundrechte-Charta ist bewusst: Statt allgemeiner Beratungsrechte will Deutschland das spezifisch deutsche Qualifikationsniveau anwaltlicher Berufsausübung verfassungsrechtlich absichern.
Der Ansatz knüpft beim Rechtssuchenden an, wirkt aber über Artikel 12 Grundgesetz auf die anwaltliche Berufsfreiheit zurück. Diese Konstruktion trägt dem "dienenden Charakter" anwaltlicher Rechte Rechnung und stärkt gleichzeitig die Unabhängigkeit des Berufsstandes.
Die BRAK will ihren Vorschlag an Bundestagsfraktionen, Rechtsausschuss und Justizministerium herantragen. Dabei betont sie ausdrücklich: Zusätzliche staatliche Finanzierungsansprüche entstehen nicht. Diese Klarstellung dürfte für die politische Durchsetzbarkeit entscheidend sein.
Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer könnte eine solche Verfassungsänderung Signalwirkung entfalten. Sie unterstreicht den gesellschaftlichen Wert unabhängiger Rechtsberatung und könnte ähnliche Diskussionen für andere beratende Berufe anstoßen.