Deutschlands Attraktivität für internationale Investoren erreicht Tiefstand

Eine aktuelle EY-Analyse enthüllt besorgniserregende Entwicklungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Mit nur 608 angekündigten Investitionsprojekten internationaler Unternehmen erreichte das Jahr 2024 den niedrigsten Stand seit 2011. Der Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr markiert bereits das siebte Jahr sinkender Auslandsinvestitionen.
Europäischer Vergleich zeigt dramatische Verschlechterung
Während andere große europäische Volkswirtschaften deutlich besser abschneiden, verliert Deutschland massiv an Boden. Frankreich führt weiterhin mit 1.025 Projekten (minus 14 Prozent), gefolgt von Großbritannien mit 853 Vorhaben (minus 13 Prozent). Seit dem Rekordjahr 2017 brachen die Neuinvestitionen in Deutschland um 46 Prozent ein – ein dramatischer Verlust, der die strukturellen Probleme des Standorts offenlegt.
"Das ist ein weiteres Alarmsignal für den Standort Deutschland. Wir werden abgehängt", warnt Henrik Ahlers, Vorsitzender der EY-Geschäftsführung. Besonders beunruhigend: Selbst das vom Brexit betroffene Großbritannien verzeichnet weniger drastische Rückgänge als Deutschland.
Amerikanische Investoren wenden sich ab
Der Exodus amerikanischer Unternehmen fällt besonders ins Gewicht. Während US-Investitionen europaweit nur um elf Prozent sanken, brachen sie in Deutschland um 27 Prozent ein. China übernahm erstmals die Rolle des größten Investors mit 96 Projekten, während die USA auf nur noch 90 Vorhaben zurückfielen.
Spektakuläre Projektabsagen illustrieren die Problematik: Intel stoppte seine geplante 30-Milliarden-Euro-Chipfabrik in Magdeburg, Wolfspeed verwarf Halbleiterpläne im Saarland. Positive Beispiele bleiben rar –Amazon erweitert sein Logistikzentrum in Werne, Daiichi Sankyo investiert eine Milliarde Euro in Krebsmedikamentenproduktion in Pfaffenhofen.
Dreifache Belastung hemmt Standortattraktivität
Drei zentrale Faktoren erklären Deutschlands schwache Performance:
Digitalisierungsdefizite: Im internationalen Ranking belegt Deutschland nur Platz 23 von 64 Ländern. Besonders die Innovationslandschaft und administrativ-rechtliche Rahmenbedingungen zeigen erhebliche Mängel. Der chronische Fachkräftemangel und fehlende zentrale Digitalisierungsstrategien verschärfen die Situation.
Steuer- und Bürokratielast: Mit durchschnittlich 30 Prozent Unternehmenssteuern liegt Deutschland deutlich über den OECD-Durchschnitt von 23,6 Prozent. Rund 97.000 Einzelnormen – 18 Prozent mehr als vor zehn Jahren – belasten Unternehmen zusätzlich.
Amerikanische Subventionspolitik: Der "Inflation Reduction Act" der USA mit Steuergutschriften bis zu 7.500 Dollar für Elektroautos und günstigen Energiepreisen zieht Investoren ab. Europa fehlt eine adäquate Antwort auf diese aggressive Industriepolitik.
China als verlässlicher Partner
Während andere Nationen ihre Investitionen reduzieren, bleiben chinesische Unternehmen Deutschland treu. Mit 37 Prozent aller chinesischen Europainvestitionen bevorzugen sie Deutschland als Standort. Die zentrale Lage, hochqualifizierte Arbeitskräfte und Rechtssicherheit machen Deutschland zum bevorzugten Tor nach Europa.
Regierungsinitiative zur Standortstärkung
Die neue CDU/SPD-Bundesregierung kündigt ein 100-Milliarden-Euro-Investitionspaket an. Geplant sind ein neues Digitalministerium, Breitbandausbau, Bürokratieabbau und vereinfachte Genehmigungsverfahren. "Beides ist wichtig und könnte im besten Fall die aktuelle Abwärtsspirale stoppen und wieder eine Aufbruchstimmung erzeugen", hofft EY-Chef Ahlers.
Die Dringlichkeit ist evident: Ausländische Unternehmen tragen ein Viertel zur deutschen Wirtschaftsleistung bei. Ohne Trendwende droht Deutschland seine Position als Europas Wirtschaftsmotor endgültig zu verlieren.