KI-Tools im Bewerbungsprozess: Zwischen Hilfe und Hindernis

Die Digitalisierung verändert auch die Art, wie sich Menschen um Arbeitsplätze bewerben. Immer häufiger kommen dabei künstliche Intelligenzsysteme zum Einsatz - eine Entwicklung, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt.
Automatisierte Texterstellung wird zum Problem
Recruiting-Spezialistin Silke Koppitz beobachtet einen bedenklichen Trend: Zahlreiche Kandidaten lassen ihre Bewerbungsunterlagen vollständig von Chatbots verfassen. Diese Praxis führe jedoch zu gegenteiligen Effekten, warnt die ehemalige HR-Managerin. "Wenn die Unterlagen austauschbar wirken, sticht man nicht aus der Masse der Bewerbungen hervor", erklärt Koppitz. Personalverantwortliche suchten in Bewerbungen nach individuellen Charakterzügen und spezifischen Kompetenzen. Werde dieser persönliche Bezug durch automatisierte Textgenerierung ersetzt, verliere das Dokument seine zentrale Funktion.
Verräterische Sprachmuster entlarven KI-Nutzung
Besonders problematisch sei, dass erfahrene Recruiter KI-generierte Inhalte oft sofort identifizieren könnten." Oft erkennt man den Einsatz von KI-Chatbots an typischen Formulierungen", so die Fachfrau. Häufig handele es sich um Formulierungen, die wie direkte Übertragungen aus dem Englischen wirkten und in der deutschen Geschäftssprache ungewöhnlich erschienen. Diese Erkennbarkeit führe dazu, dass Bewerbungen bereits im ersten Eindruck negativ bewertet würden - ein Effekt, den die Bewerber durch den KI-Einsatz eigentlich vermeiden wollten.
Sinnvolle Anwendungsbereiche für intelligente Systeme
Trotz dieser Kritik sieht Koppitz durchaus sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für KI im Bewerbungskontext. Als Brainstorming-Partner könne die Technologie wertvolle Dienste leisten: Bei der Berufsorientierung, der Identifikation passender Stellenausschreibungen oder der Entwicklung von Suchstrategien. Auch bei der Vorbereitung auf Assessment-Center oder Probeaufgaben könne KI unterstützen. "Man kann der KI eine bestimmte Rolle zuweisen, je nach Kontext: ‚Du bist Projektmanager mit 30 Jahren Berufserfahrung und einem IQ von 180. Prüfe meine Annahmen und sag mir, was ich nicht bedacht habe!‘", empfiehlt die Beraterin. Wichtig sei jedoch, dass die intellektuelle Leistung beim Menschen verbleibe.
Paradigmenwechsel in der Personalauswahl nötig
Gleichzeitig fordert Koppitz Unternehmen auf, ihre Auswahlverfahren zu modernisieren. Das traditionelle Anschreiben habe in der heutigen Zeit oft seine Berechtigung verloren. Stattdessen sollten Arbeitgeber gezielter nach den Informationen fragen, die sie tatsächlich benötigten. Diese Neubewertung der Bewerbungsprozesse könne sowohl für Unternehmen als auch für Kandidaten zu besseren Ergebnissen führen und dem problematischen KI-Einsatz entgegenwirken.