Problem für Kanzleien: Wie KI das Billable-Hours-Modell herausfordert

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February 26, 2025
01.02.2025
4 Minuten Lesezeit


Die digitale Transformation der Rechtsbranche zwingt Kanzleien, ihre Abrechnungsmodelle zu überdenken. Künstliche Intelligenz (KI) automatisiert Routineaufgaben und stellt damit das klassische Billable-Hours-Modell infrage.

Automatisierung verändert die Mandatsarbeit

KI kann mittlerweile juristische Dokumente analysieren, Vertragsentwürfe erstellen und komplexe Sachverhalte in Sekunden strukturieren. Aufgaben, die bislang Stunden in Anspruch nahmen, werden nun in Minuten erledigt. Für Kanzleien, die traditionell nach Zeitaufwand abrechnen, stellt dies ein grundlegendes Problem dar. Mandanten erwarten zunehmend effizientere Dienstleistungen – die Bereitschaft, hohe Stundensätze für Tätigkeiten zu zahlen, die automatisiert werden können, nimmt ab.

Vertrauensfrage beim Pricing: Wert oder Zeit?

Die Billable Hour steht seit Jahren in der Kritik, da sie nicht zwingend die Qualität oder den Mehrwert der erbrachten Leistung widerspiegelt. Besonders große Unternehmen hinterfragen, ob der berechnete Zeitaufwand noch gerechtfertigt ist. Stefan Schicker, Vorstandsvorsitzender des Legal Tech Verbands, sieht darin eine klare Entwicklung: "Die Mandanten verlangen zunehmend nach transparenten und wertbasierten Preismodellen, die über reine Zeitabrechnung hinausgehen."

Während KI kurzfristig die Umsätze traditionell arbeitender Kanzleien reduzieren könnte, bietet sie gleichzeitig Chancen: Mehr Effizienz ermöglicht es Kanzleien, mehr Mandate zu bearbeiten, die Servicequalität zu verbessern und durch innovative Preisstrukturen neue Mandanten zu gewinnen.

Alternativen zur Stundenabrechnung

Branchenexperten wie Pierre Zickert von Hengeler Mueller sehen die Lösung in alternativen Vergütungsmodellen, die sich an der tatsächlichen Wertschöpfung orientieren. Kanzleien könnten etwa pauschale Honorare für standardisierte Prozesse wie Due-Diligence-Prüfungen oder AGB-Überprüfungen anbieten. Eine weitere Möglichkeit sind erfolgsbasierte Vergütungsmodelle oder abonnementähnliche Retainer-Modelle für wiederkehrende Beratung.

Legal Tech als Treiber neuer Geschäftsmodelle

Hengeler Mueller setzt bereits gezielt auf Legal Tech-Lösungen, um Prozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Massenverfahren und Vertragsanalysen werden mit KI-gestützten Tools bearbeitet. Auch maßgeschneiderte Softwarelösungen für Mandanten, etwa in der M&A-Beratung, setzen sich durch. Hierbei entscheiden Mandatsverantwortliche flexibel über die Abrechnung – etwa durch feste Paketpreise für Softwarelösungen.

Investition in KI: Herausforderung oder Chance?

Die Einführung von KI-Systemen erfordert erhebliche Investitionen. Kanzleien müssen entscheiden, ob sie diese Kosten über pauschale KI-Gebühren weitergeben oder in bestehende Honorarmodelle integrieren. Fakt ist: Die Kosten für KI-Technologie sinken, während ihre Effizienz steigt.

Fazit: Anpassung als Erfolgsfaktor

Die Billable Hour ist nicht mehr zeitgemäß – und KI beschleunigt diese Entwicklung. Kanzleien, die frühzeitig auf flexible Preisstrukturen setzen, können sich Wettbewerbsvorteile sichern. KI ist kein Ersatz für juristische Expertise, sondern ein Werkzeug, das die Arbeit effizienter macht. Entscheidend ist, den Mehrwert für Mandanten klar zu kommunizieren und innovative Abrechnungsmodelle zu etablieren. Die Zukunft gehört den Kanzleien, die sich aktiv mit den Veränderungen der Branche auseinandersetzen und neue Lösungen entwickeln.