Kompensationstheorie widerlegt: Schlechte Arbeitsbedingungen kosten Unternehmen 10.000 Euro jährlich

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August 4, 2025
04.08.2025
3 Minuten Lesezeit

Eine Europäische Großstudie mit 35.000 Arbeitnehmern belegt: Niedriglohn und hohe Belastung verstärken sich gegenseitig statt sich auszugleichen.

Ökonomische Grundannahmen empirisch falsifiziert

Ein US-Forschungsteam um Ökonomin Susana Ferreira hat Daten von rund 35.000 Beschäftigten in 30 Ländern analysiert und die klassische Kompensationstheorie widerlegt. Entgegen ökonomischer Modelle gleichen höhere Gehälter schlechte Arbeitsbedingungen nicht aus – vielmehr kumulieren niedrige Bezahlung, hohe Arbeitsbelastung und Sicherheitsrisiken in denselben Positionen.

Arbeitsmarktineffizienzen als Kostentreiber

"Wir beobachten oft, dass gerade die schlechtesten Jobs auch die am schlechtesten bezahlten sind – vorrangig in sehr unflexiblen Arbeitsmärkten", konstatiert Ferreira. Diese Dysfunktion entsteht durch unvollständige Marktinformationen und eingeschränkte Arbeitsplatzwahl der Beschäftigten.

Quantifizierte Kosten-Nutzen-Analyse

Die Studie belegt massive finanzielle Auswirkungen: Sicherheits-und Gesundheitsrisiken erfordern Lohnprämien von rund 25 Euro pro Stunde. Umgekehrt können Unternehmen durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen über 10.000 Euro jährlich pro Mitarbeiter einsparen. Arbeitsunfälle verursachen dagegen nur durchschnittlich 300 Euro jährliche Direktkosten – eine Kalkulation, die Folgekosten für Betroffene ausklammert.

Paradigmenwechsel in der Personalökonomie

Ferreiras Forschung fordert einen fundamentalen Perspektivwechsel: "Auf das Gefühl der Menschen zu achten, ist wichtig. Mitarbeitende danach zu fragen, wie sie sich fühlen, und Daten zum subjektiven Wohlbefinden zu sammeln, birgt viele wirtschaftlich wichtige Informationen, die von Ökonomen lange ignoriert wurden."

Strategische Implikationen für Retention Management

Eine ADP-Studie identifizierte angemessene Vergütung und Arbeitsfreude als primäre Zufriedenheitsfaktoren europäischer Arbeitnehmer, gefolgt von Jobsicherheit. Diese Erkenntnisse erfordern eine Neubewertung traditioneller Incentive-Strukturen. Die Gastronomie-Branche exemplifiziert diese Dynamik: Post-Corona kehrten viele Beschäftigte aufgrund verbesserter Marktinformationen nicht in schlecht bezahlte Positionen zurück.

Präventionsstrategie gegen Fluktuation

Unternehmen sollten proaktiv subjektive Wohlbefindensdaten erheben und Arbeitsbedingungen optimieren. Für Arbeitnehmer bedeutet dies: Umfassende Marktinformation wird zum strategischen Erfolgsfaktor – auch in prekären Beschäftigungsverhältnissen.