Lohnsteuerreform: Merz-Regierung privilegiert Vollzeit-Überstunden steuerlich

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July 16, 2025
16.07.2025
2 Minuten Lesezeit

Der Koalitionsvertrag sieht eine Steuerbefreiung für Mehrarbeitszuschläge vor - mit erheblichen distributiven Auswirkungen auf Teilzeitbeschäftigte.

Steuerliche Neukonzeption von Mehrarbeitszuschlägen

Die Bundesregierung unter Friedrich Merz plant eine strukturelle Reform der Überstunden-Besteuerung. Der Koalitionsvertrag definiert: "Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt." Diese Regelung betrifft ausschließlich Zuschläge auf Mehrarbeit, nicht die Grundvergütung von Überstunden. Die Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) präzisiert: "Die Überstunden an sich werden steuerpflichtig bleiben."

Anwendungsbereich und Bemessungsgrundlage

Die Steuerbefreiung greift bei Arbeitszeiten oberhalb von 34 Wochenstunden bei tariflichen Regelungen respektive 40 Stunden bei nicht-tariflichen Vereinbarungen. Der Fokus liegt auf regulären Mehrarbeitsstunden, nicht auf besonderen Zeitzuschlägen für Abend-, Wochenend- oder Feiertagsarbeit. Bei einem exemplarischen Brutto-Gehalt von 3.000 Euro und 28,2 monatlichen Überstunden resultiert ein zusätzliches Netto-Einkommen von etwa 64 Euro - basierend auf aktuellen IAB-Durchschnittswerten von 28,2 jährlichen Überstunden pro Beschäftigtem.

Strukturelle Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten

Die Reform weist erhebliche distributive Asymmetrien auf: Teilzeitbeschäftigte - 2024 fast 30 Prozent aller Erwerbstätigen - profitieren nicht von der Steuerbefreiung. Diese Ausgestaltung verstärkt bestehende geschlechtsspezifische Arbeitsmarktungleichheiten, da laut Statistischem Bundesamt "fast jede zweite erwerbstätige Frau in Teilzeit" arbeitet, gegenüber nur zwölf Prozent der Männer. Teilzeitbeschäftigte leisten ebenfalls regelmäßig Mehrarbeit über ihre Vertragsstunden hinaus, erhalten jedoch keine entsprechende steuerliche Privilegierung.

Fiskalische und arbeitsmarktpolitische Implikationen

Die Reform adressiert das Problem unbezahlter Mehrarbeit - laut IAB werden mehr als die Hälfte aller Überstunden ohne Vergütung geleistet. Gleichzeitig schafft sie jedoch neue steuerliche Ungleichbehandlungen zwischen Beschäftigungsformen. Für Steuerberater ergeben sich neue Beratungsfelder bei der Optimierung von Vergütungsstrukturen und der Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen Grundstunden und steuerfreien Zuschlägen. Die praktische Umsetzung erfordert präzise Dokumentation von Arbeitszeiten und Zuschlagsberechnungen zur Compliance-Sicherstellung.