Anwesenheitspolitik im Wandel: Kanzleien verschärfen Maßnahmen gegen übermäßiges Homeoffice

25.03.2025
25.03.2025
4 Minuten
blog main image

Die Corona-Pandemie revolutionierte die Arbeitswelt der Rechtsberatung nachhaltig. Fünf Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns zeichnet sich jedoch ein klarer Trend zur Büropräsenz ab – mit teilweise drastischen Maßnahmen zur Durchsetzung.

Finanzielle Anreize zur Büropräsenz

In Großbritannien hat A&O Shearman jüngst einen besonders rigorosen Weg eingeschlagen: Die Kanzlei koppelt die Bonuszahlungen an die Einhaltung der Anwesenheitsregeln. Diese verlangen von Associates, mindestens 60 Prozent ihrer Arbeitszeit im Londoner Büro zu verbringen. Auch der US-amerikanische Steuerbereich von Deloitte kündigte an, die Büropräsenz als Kriterium bei der Bonusvergabe zu berücksichtigen.

Während in Deutschland bislang keine explizite Verknüpfung von Präsenz und Vergütung bekannt wurde, intensivieren auch hiesige Kanzleien ihre Bemühungen um höhere Anwesenheitsraten. In der Befragung für das aktuelle Karrieremagazin azur100 gibt A&O Shearman Deutschland allerdings an, dass Homeoffice "unbegrenzt und individuell in Abstimmung mit dem Partner und Team möglich ist" und Boni vom Kanzleiergebnis sowie der individuellen Leistung abhängen.

Überwachung der Anwesenheit nimmt zu

Neben finanziellen Anreizen setzen internationale Großkanzleien verstärkt auf Kontrolle. Slaughter and May sorgte bereits Anfang 2024 für Aufsehen, als bekannt wurde, dass die Kanzlei die Anwesenheit der Berufsträger in ihrem Londoner Büro systematisch erfasst und die Daten an Teamleiter und Personalabteilung weitergibt. Clifford Chance folgte diesem Beispiel kurze Zeit später.

Auch die US-amerikanische Kanzlei Sullivan & Cromwell hat ihre Präsenzregeln verschärft und macht aus ihrer Präferenz für die fünftägige Anwesenheit keinen Hehl. "Grundsätzlich ist die Präsenz im Büro gewünscht und stellt die Regel dar", erklärt Dr. Carsten Berrar, Mitglied des Managementausschusses und Managing-Partner in Frankfurt. Homeoffice sei zwar in Einzelfällen möglich, "was hingegen nicht gewünscht ist, sind feste Tage, etwa montags oder freitags, an denen regelmäßig im Homeoffice gearbeitet wird."

Unterschiedliche Ansätze im deutschen Markt

Der deutsche Kanzleimarkt präsentiert sich in Bezug auf Homeoffice-Regelungen heterogen. Die meisten Sozietäten erlauben mittlerweile mindestens zwei Tage regelmäßiges Homeoffice pro Woche, darunter Covington & Burling, Clifford Chance, Dentons, Fieldfisher und Orka. Nur wenige schließen die Arbeit von zu Hause kategorisch aus.

Besonders flexibel zeigen sich Einheiten wie Hausfeld, Hengeler Mueller, Rödl & Partner und Redecker Sellner Dahs, die ihren Anwälten keine strikten Vorgaben zur Homeoffice-Quote machen. Auch unter den angelsächsischen Sozietäten finden sich noch solche mit flexiblen Regelungen, etwa Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan und K&L Gates.

Rechtsabteilungen in Unternehmen positionieren sich tendenziell großzügiger als Kanzleien. Nach Marktanalysen der azur-Redaktion erlauben Unternehmen durchschnittlich 2,7 Homeoffice-Tage pro Woche, während der Durchschnitt bei Kanzleien bei 2 Tagen liegt. So gewähren etwa Allianz und Google ihren Inhouse-Juristen flexible Homeoffice-Regelungen, während andere Unternehmen wie BaFin und BMW eine Mindestpräsenz von 40 bzw. 60 Prozent der Arbeitszeit im Büro erwarten.

Präferenz der Associates für flexible Modelle

Die Verschärfung der Anwesenheitsregeln steht in deutlichem Kontrast zu den Präferenzen der Berufsträger. Die jüngste Associate-Umfrage der azur-Redaktion ergab, dass über 20 Prozent der Befragten eine Stelle ohne Homeoffice-Option kategorisch ablehnen würden. Weitere 35 Prozent stimmten dieser Aussage eher zu. Lediglich rund 10 Prozent der befragten Associates lehnten Homeoffice vollständig ab.

Diese Diskrepanz zwischen Arbeitgebererwartungen und Mitarbeiterpräferenzen könnte sich mittelfristig zu einem entscheidenden Faktor im Wettbewerb um Talente entwickeln. Kanzleien mit flexibleren Arbeitsmodellen könnten einen strategischen Vorteil bei der Rekrutierung und Bindung qualifizierter Juristen erlangen.

Die Entwicklung verdeutlicht einen bemerkenswerten Wandel: Während die Branche in der Hochphase der Pandemie 2020 noch von langfristigen Homeoffice-Konzepten sprach – eine Umfrage des Immobilienberaters Cushman & Wakefield ergab 2021, dass 80 Prozent der deutschen Kanzleien langfristig nicht zur alten Bürostruktur zurückkehren wollten – hat sich das Pendel nun deutlich in Richtung Präsenzkultur zurückbewegt.

Mehr Flexibilität, mehr Gehalt, mehr Karriere in 2025?

Wenn Sie genau nach diesen Punkten suchen, haben wir da vielleicht was für Sie.Lassen Sie sich kostenlos von einem unserer Berater informieren.

MEHR

Meistgelesene Artikel

article card image
23.02.2024
23.02.2024
3 Minuten Lesezeit

Big-Four im Fokus: Audit-Markt im Wandel

article card image
03.03.2024
03.03.2024
2 Minuten Lesezeit

Neustrukturierung bei EY: Weg zur KG