KI-Revolution im CFO-Office: Zwischen strategischem Durchbruch und regulatorischen Fallstricken

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July 15, 2025
15.07.2025
3 Minuten Lesezeit

Führende Finanzexperten bewerten Chancen und Compliance-Risiken Generativer Künstlicher Intelligenz in der Unternehmenssteuerung.

Praktische KI-Implementation: Von der Vision zur messbaren Wertschöpfung

Martin Gerber, Partner und CFO bei EY, demonstriert einen systematischen Ansatz zur GenKI-Einführung: "Wir implementieren keine KI 'auf Verdacht', sondern entlang konkreter Use Cases mit klar messbarem Mehrwert." Seine Finanzfunktion nutzt Microsoft Copilot für PowerPoint-Erstellung und E-Mail-Management, während ein interner Dokumenten-Chatbot Informationsextraktion aus verschiedenen Dateiformaten ermöglicht. Automatisierte Buchungsprozesse erfassen vollständige Workflows von der Beleganerkennung bis zur Kategorisierung. Besonders fortgeschritten sind EYs KI-gestützte Risk Scannings von Lieferanten und agentenbasierte Lösungen für E-Mail-Postfächer mit hohem Anfragevolumen. Dynamische Finance- und Controlling-Dashboards sowie Forecasting-Modelle komplettieren das Portfolio.

Strukturelle Limitationen: Wo Algorithmen an Grenzen stoßen

Björn Stauss, Country Manager DACH bei Board, identifiziert fundamentale KI-Schwächen: "KI hat einen blinden Fleck bei struktureller Unsicherheit." Während sich Algorithmen in datenreichen Umgebungen mit klaren Ursache-Wirkungs-Mustern bewähren, versagen sie bei geopolitischen Verwerfungen. "Es gibt keine eindeutigen historischen Daten, anhand derer ein KI-Modell lernen könnte, wie sich ein Zoll auf chinesische Halbleiter in einem Wahljahr auf eine Automobillieferkette auswirken könnte", erläutert Stauss. Politische Overnight-Entscheidungen entziehen sich statistischen Schlussfolgerungen und erfordern menschliche Expertise.

Compliance-Herausforderungen: Qualitätssicherung in komplexen Systemen

Philipp Tiedt, Partner im Bereich Management Advisory bei BDO, warnt vor blindem Vertrauen: "CFOs und Finanzteams sollten kein blindes Vertrauen in die Ergebnisse setzen, insbesondere bei Zahlenwerken und Finanzdaten." Die Qualitätssicherung bei Gen KI-Anwendungen übersteigt herkömmliche IT-Komplexität erheblich. Während traditionelle Anwendungen standardisierte Tests ermöglichen, erfordern große Sprachmodelle kontinuierliche Ergebnisvalidierung mit zusätzlichen Ressourcen. Tiedt betont die Datensouveränität: "CFOs müssen sich proaktiv mit der Frage auseinandersetzen, wo ihre sensiblen Daten gespeichert sind, wie sie in der Cloud verarbeitet werden und wer potentiell Zugriff auf diese Daten haben könnte."

Regulatorische Compliance: Standards und Zertifizierungen

Louise Öfverström, CFO bei Nemetschek, implementiert KI-Governance durch ISO 27001-Zertifizierung: "Beim Einsatz von GenKI achten wir besonders darauf, dass alle Daten verschlüsselt und nur auf sicheren, DSGVO-konformen Plattformen verarbeitet werden." Ihr Compliance-Framework umfasst klare Zugriffsrechte, nachvollziehbare Modelle und transparente Rollen- und Berechtigungskonzepte. "In diesem Punkt dulden wir keinerlei Kompromisse und halten uneingeschränkt an unseren hohen Standards fest."

Zukunftsperspektiven: Hybride Finanzfunktionen

Heiko Vollmer, Senior Partner bei Ecodynamics, prognostiziert fundamentale Transformation: "Unternehmen suchen derzeit gezielt nach Einsatzszenarien, die nicht nur technisch funktionieren, sondern auch einen messbaren Beitrag zur Wertschöpfung leisten." Aktuelle technische Limitationen bei Massendatenverarbeitung und Echtzeit-Entscheidungen in hochregulierten Umgebungen werden in den kommenden zwei Jahren deutlich abnehmen. Vollmer konkludiert: "Die Zukunft der Finanzabteilung ist hybrid: Mensch plus KI-Agent."

Strategische Implikationen für CFOs

Die Expertenbewertungen verdeutlichen: GenKI entwickelt sich vom Hype-Thema zum strategischen Differenzierungsfaktor. Erfolgreiche Implementation erfordert jedoch rigorose Compliance-Frameworks, kontinuierliche Qualitätssicherung und realistische Erwartungen bezüglich struktureller Unsicherheiten. CFOs sollten systematische Use-Case-Evaluierung mit messbaren KPIs priorisieren und gleichzeitig robuste Governance-Strukturen etablieren. Der frühzeitige Aufbau hybrider Kompetenzen verschafft strategische Vorteile in der sich transformierenden Finanzlandschaft.