Karlsruher Entscheidung beendet Berliner Reformversuch und bekräftigt bundesrechtliche Regelungshoheit im Arbeitsrecht.
Das Bundesverfassungsgericht hob am 10. Juli 2025 eine Berliner Hochschulgesetz-Regelung auf, die promovierte Wissenschaftler bei Erreichen von Qualifikationszielen entfristen sollte. Die Entscheidung markiert eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Bundes- und Ländergesetzgebung im Wissenschaftsarbeitsrecht. Carla Köhler, Pressesprecherin des BVerfG, konkretisierte: "Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Bereich abschließende Regelungen dahingehend getroffen, dass die Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen befristet werden können."
Die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung hatte Ende 2021 auf die #IchbinHanna-Bewegung reagiert, die strukturelle Probleme des Wissenschaftsarbeitsmarkts thematisierte. Die Regelung sollte wissenschaftliche Mitarbeiter mit Doktorgrad nach Erreichen von Qualifikationszielen wie der Habilitation dauerhaft beschäftigen. Diese Reform zielte auf die Durchbrechung des etablierten Systems ab, das Nachwuchswissenschaftlern typischerweise sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion gewährt, bevor sie bei fehlender Dauerstelle den akademischen Betrieb verlassen müssen.
Berliner Hochschulen protestierten vehement gegen die Neuregelung. Sabine Kunst, damalige Präsidentin der Humboldt-Universität, trat aus Protest zurück. Die Kritik fokussierte auf Finanzierungsdefizite und befürchtete Verdrängungseffekte für nachfolgende Nachwuchsgenerationen. Die Humboldt-Universität initiierte daraufhin die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, die nun zur Aufhebung der Regelung führte.
Das Urteil bekräftigt die ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz im Bereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Länder können demnach nicht eigenständig in die bundesrechtlich geregelten Befristungsvoraussetzungen eingreifen. Diese verfassungsrechtliche Klarstellung verhindert die föderale Fragmentierung des Wissenschaftsarbeitsrechts und erhält die bundesweite Einheitlichkeit der Regelungen.
Die unmittelbaren Konsequenzen bleiben begrenzt, da Berlin die Entfristungsregel nie implementierte. Der Senat hatte den Start mehrfach verschoben, zuletzt auf unbestimmte Zeit. Die Verfassungsgerichtsentscheidung beendet jedoch definitiv diesen regulatorischen Sonderweg.
Constanze Baum, Vorstandssprecherin der Landesvertretung Akademischer Mittelbau Berlin, hofft auf bundesweite Reformen: "Ich hoffe, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zeitnah angepasst wird und endlich von dort entscheidende Reformen ausgehen." Die Ampelkoalition hatte Reformen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes geplant, die jedoch am vorzeitigen Koalitionsende scheiterten. Die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung visiert eine Neuregelung bis Mitte 2026 an.
Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen länderspezifischer Arbeitsrechtsreformen im föderal strukturierten Bildungssystem. Strukturelle Verbesserungen für Nachwuchswissenschaftler erfordern bundesgesetzliche Initiativen, die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilungen respektieren. Für Rechtspraxis ergeben sich klare Orientierungen bei der Beratung zu Wissenschaftler-Arbeitsverträgen: Landesrechtliche Sonderregelungen können bundesrechtliche Standards nicht überschreiten.