Hochschulakkreditierung: Rechtssicherheit zwischen Qualitätskontrolle und Marktregulierung

Die Akkreditierung von Studiengängen und Hochschulen entwickelt sich vom Qualitätssiegel zur regulatorischen Selbstverständlichkeit mit erheblichen rechtlichen Implikationen.
Rechtlicher Rahmen der Studiengangsakkreditierung
Die flächendeckende Implementierung der Akkreditierungsverfahren markiert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschullandschaft. Nach der initialen Einführungsphase parallel zur Bologna-Reform sind mittlerweile nahezu alle Studiengänge akkreditiert, wodurch sich die ursprüngliche Funktion als Qualitätsdifferenzierungsmerkmal erheblich gewandelt hat. Hochschulen mit erworbener Systemakkreditierung können interne Qualitätssicherungsverfahren autonom durchführen, unterliegen jedoch regelmäßigen Kontrollmechanismen und stichprobenartigen Überprüfungen. Die Verlängerung der Akkreditierungszeiträume, teilweise pandemiebedingt verstärkt, reflektiert eine gewisse Konsolidierung des Systems bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Dennoch bestehen strukturelle Lücken im Akkreditierungsstatus, wie beispielsweise in Sachsen-Anhalt dokumentiert, wo 2022 über 100 Studiengänge, insbesondere an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Hochschule Anhalt, noch keine Akkreditierung aufwiesen.
Institutionelle Akkreditierung privater Bildungsanbieter
Für private Hochschulen stellt die institutionelle Akkreditierung eine existenzielle Voraussetzung dar, da ausschließlich akkreditierte Einrichtungen zur Verleihung staatlich anerkannter Hochschulabschlüsse berechtigt sind. Der Wissenschaftsrat definiert dieses Verfahren als Qualitätssicherungsmaßnahme zur Bewertung der Forschungs- und Lehrkapazitäten nach anerkannten wissenschaftlichen Standards, einschließlich der Prüfung von Ausstattung und Finanzierungsstrukturen. Das zweistufige Verfahren umfasst zunächst eine Konzeptprüfung vor Aufnahme des Studienbetriebs, gefolgt von der eigentlichen Akkreditierung im laufenden Betrieb. Diese Systematik führte dazu, dass die letzte negative Akkreditierungsentscheidung bereits fünf Jahre zurückliegt. Von 254 durchgeführten Akkreditierungsverfahren endeten 17 negativ, wobei einige Einrichtungen in Wiederholungsverfahren erfolgreich akkreditiert wurden.
Laufbahnrechtliche Konsequenzen im öffentlichen Dienst
Die praktische Relevanz der Akkreditierung manifestiert sich besonders im Bereich des öffentlichen Dienstes. Absolventen nicht-akkreditierter Masterstudiengänge von Fachhochschulen können ausschließlich in den gehobenen Dienst eintreten, während der höhere Dienst universitären Masterabschlüssen oder akkreditierten FH-Mastern vorbehalten bleibt. Diese Differenzierung gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeslaufbahnverordnung kann erhebliche Karriereimplikationen haben.
Risikobewertung bei Hochschulen in Gründung
Bei Hochschulen in Gründungsphase, die entsprechend kennzeichnungspflichtig sind, besteht theoretisch das Risiko einer gescheiterten Akkreditierung. Seit Einführung der verpflichtenden Konzeptprüfung sind jedoch keine entsprechenden Fälle mehr dokumentiert. Die Studienplatzwahl sollte primär auf inhaltlichen Kriterien, Ausstattungsmerkmalen und institutioneller Größe basieren, wobei die Akkreditierung als Grundvoraussetzung gilt.
Verfassungsrechtliche Neuausrichtung
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18. März 2016 führte zu einer grundlegenden Neustrukturierung des Akkreditierungswesens. Die ursprüngliche Praxis wurde als verfassungswidrig eingestuft, da sie zu einer Selbstentmachtung der Parlamente führte und privatrechtlichen Agenturen unter maßgeblichem Einfluss von Arbeitgeberverbänden und Fachverbänden übermäßige Kontrollbefugnisse einräumte. Die daraus resultierende Stärkung des Akkreditierungsrates erfolgt jedoch vor dem Hintergrund unzureichender personeller und sachlicher Ressourcen, was sich in der mangelhaften Aktualität öffentlicher Verzeichnisse akkreditierter Studiengänge widerspiegelt.
Entwicklung von der Programm- zur Systemakkreditierung
Die Systemakkreditierung gewinnt aufgrund ihrer Kosteneffizienz und reduzierten Verfahrensdauer zunehmend an Bedeutung. Während bei der Programmakkreditierung jeder Studiengang individuell geprüft wird, fokussiert die Systemakkreditierung auf die internen Qualitätssicherungsmechanismen der Hochschule. Die Anzahl systemakkreditierter Hochschulen stieg von 23 in 2015 auf 136 in 2025, was eine deutliche Präferenz für dieses Verfahren dokumentiert. Voraussetzung für die Systemakkreditierung ist der Nachweis bereits erfolgreich programmakkreditierter Studiengänge entsprechend der Studierendenzahl. Nach erfolgreicher Systemakkreditierung entfällt die Notwendigkeit individueller Programmakkreditierungen, wobei stichprobenartige Kontrollen implementiert bleiben.
Qualitätsdefinition und Bewertungskriterien
Die objektive Bewertung von Bildungsqualität erweist sich als komplexer Prozess, da standardisierte Qualitätsmaße für immaterielle Bildungsleistungen nur begrenzt verfügbar sind. Gesellschaftliche Bildungsziele können divergierende Bewertungen erfahren, wobei kritische Reflexionsfähigkeit einerseits gesellschaftlich erwünscht, andererseits von Arbeitgebern möglicherweise als problematisch empfunden wird.
Föderale Umsetzungsunterschiede
Die bundesländerspezifischen Regelungen zur Akkreditierungspflicht zeigen erhebliche Unterschiede in der Durchsetzung. Während einige Länder proaktive Akkreditierungsstrategien verfolgen, zeigen andere, wie Bayern oder Sachsen, geringeren regulatorischen Druck, was sich in unterschiedlichen Akkreditierungsquoten manifestiert.
Dokumentation und Transparenz
Die dezentrale Datenhaltung zwischen Hochschulkompass und Akkreditierungsrat seit 2019 führt zu systematischen Erfassungslücken. Die unklare Zuständigkeitsverteilung und unterschiedliche Kategorisierungsansätze erschweren eine konsistente statistische Erfassung akkreditierter Studiengänge und reduzieren die Transparenz des Systems erheblich.
Zukunftsperspektiven der Hochschulakkreditierung
Das Akkreditierungssystem hat sich von einem flexibilisierenden Deregulierungsinstrument zu einem standardisierten Qualitätssicherungsmechanismus entwickelt. Anfängliche Befürchtungen übermäßiger Detailregulierung durch Agenturen haben sich weitgehend aufgelöst, wobei sich eine pragmatische Balance zwischen Qualitätskontrolle und institutioneller Autonomie etabliert hat. Die zunehmende Systemakkreditierung deutet auf eine weitere Professionalisierung und Effizienzsteigerung des Verfahrens hin.