Prüferbranche im Umbruch: Private Equity wirbelt Big Four auf

Lünendonk-Studie zeigt dramatische Marktverschiebungen bei gleichzeitig schwächelnden Branchenprimussen auf.
Paradigmenwechsel in der deutschen Audit-Landschaft
Der 21,3 Milliarden Euro schwere deutsche Wirtschaftsprüfungsmarkt durchlebt seine größte Transformation seit Jahren. Während das Gesamtvolumen um solide 7,6 Prozent zulegte, offenbart die aktuelle Lünendonk-Analyse fundamentale Verschiebungen zwischen etablierten Marktführern und aufstrebenden Mittelständlern. Die Big Four verlieren erstmals seit langem ihre traditionelle Wachstumsdominanz. Mit durchschnittlich 5,4 Prozent Umsatzsteigerung bleiben sie deutlich hinter dem Marktdurchschnitt zurück, während die Top 25 insgesamt um 10,7 Prozent expandierten. Besonders PwC und EY enttäuschten mit mageren 1,1 Prozent Wachstum.
Machtkampf an der Spitze: KPMG erobert Rang zwei zurück
KPMG rehabilitiert sich spektakulär und verdrängt EY nach neun Jahren vom zweiten Platz. Mit geschätzten 2,595 Milliarden Euro Umsatz liegt die Gesellschaft nur knapp vor EY (2,593 Milliarden) und Deloitte (2,582 Milliarden). PwC behauptet mit über 3 Milliarden Euro weiterhin die Spitzenposition. Diese Verschiebungen reflektieren nicht nur unterschiedliche Wachstumsstrategien, sondern auch die nachwirkenden Effekte des Wirecard-Skandals auf EYs Marktposition. Die Big Four kontrollieren gemeinsam 50,7 Prozent des fragmentierten Marktes mit rund 3.000 Prüfungsgesellschaften.
Mittelstandsdynamik: RSM Ebner Stolz überholt BDO
Unterhalb der Branchengiganten vollzieht sich eine bemerkenswerte Umgruppierung. RSM Ebner Stolz katapultiert sich mit 477,4 Millionen Euro Umsatz an BDO vorbei und etabliert sich als stärkster Big Four-Verfolger. DHPG verdoppelt seinen Umsatz auf 137,3 Millionen Euro und stößt in die Next Seven vor. ETL demonstriert mit 23,6 Prozent Wachstum auf 92,1 Millionen Euro die Dynamik spezialisierter Anbieter. Diese Entwicklungen unterstreichen die zunehmende Fragmentierung des Marktes und die Chancen für fokussierte Wachstumsstrategien.
KI-Revolution verändert Geschäftsmodelle fundamental
Künstliche Intelligenz entwickelt sich zum strategischen Differenzierungsfaktor. 80 Prozent der Studienteilnehmer implementieren bereits KI-Lösungen, weitere zehn Prozent planen den Einstieg. ChatGPT, MS Copilot und Datev dominieren die Toollandschaft, während innovative Gesellschaften wie PSP eigene KI-Ventures gründen. Jörg Hossenfelder von Lünendonk betont, dass KI-Innovation keine Größenfrage sei, sondern vom Engagement abhänge. PSPs Joint Venture mit WTS exemplifiziert, wie auch kleinere Anbieter durch strategische Partnerschaften technologische Vorsprünge erzielen können.
Private Equity als Katalysator und Kontroverse
Finanzinvestoren entdecken die Prüfungsbranche als attraktives Investment. Ufenau Capital steigt bei PKF WMS ein, während Afileon als Partners Group-finanziertes "Buy and Build"-Konstrukt über 100 Millionen Euro Umsatz anstrebt. Grant Thornton und Baker Tilly stehen Berichten zufolge vor ähnlichen Deals. Die PE-Aktivitäten treiben bereits jetzt die Gehälter nach oben, wie Nexia-Partner Rainer Grote bestätigt. Gleichzeitig entstehen kontroverse Diskussionen über Unabhängigkeit und Berufsethos. DHPG-Managing Partner Andreas Blum schließt PE-Beteiligungen kategorisch aus, während Deloitte-Geschäftsführer Christoph Schenk eine "vorsichtige Öffnung" befürwortet.
ESG-Euphorie weicht regulatorischer Realität
Die ursprünglich erhofften ESG-Wachstumsimpulse durch CSRD-Prüfungen erleiden durch die EU-Omnibus-Richtlinie einen herben Dämpfer. Vier von fünf CSRD-pflichtigen Unternehmen erhalten eine zweijährige Verschiebung, was die Wachstumsprognosen für 2025 und 2026 auf 8,5 respektive 8,0 Prozent reduziert. Stattdessen fokussieren sich die Gesellschaften auf Restrukturierungsberatung als Wachstumstreiber. 100 Prozent der Big Four und Next Six erwarten hier Geschäftszuwächse, getrieben von Kostensenkungsprogrammen und Refinanzierungsbedarf der Unternehmen.
Zukunftsperspektiven: Transformation als Überlebensstrategie
Die Branche steht vor einem fundamentalen Wandel, der weit über traditionelle Wachstumszyklen hinausgeht. Forvis Mazars-Partner Christoph Regierer warnt vor Vereinfachungen: Transformation ist nicht nur KI plus PE. Vielmehr erfordert die neue Marktdynamik ganzheitliche Strategien, die Technologie, Kapital und Talentmanagement intelligent verknüpfen.