BGH schränkt Fürsorgepflicht des Gerichts ein: Anwaltliches Versehen bei beA-Übermittlung führt zu Fristversäumnis

26.03.2025
26.03.2025
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Der Bundesgerichtshof präzisiert die Grenzen gerichtlicher Fürsorgepflichten im elektronischen Rechtsverkehr. Ein folgenschwerer Fehler bei der beA-Übermittlung verdeutlicht die Haftungsrisiken für Rechtsanwälte.

Fehlübermittlung mit Konsequenzen

In einer bemerkenswerten Entscheidung (Az. VIII ZB 65/23 vom 11.02.2025) hat der BGH die Verantwortlichkeiten bei der elektronischen Kommunikation mit Gerichten klargestellt.

Ein Rechtsanwalt hatte während des Urlaubs seiner Sekretärin selbst eine Berufungsbegründung via beA an das LG Zwickau übermitteln wollen. Stattdessen versandte er versehentlich eine für seinen Mandanten bestimmte E-Mail samt Kostenrechnung. Obwohl die Übermittlung zwei Wochen vor Fristablauf erfolgte, reagierte das Landgericht erst nach Fristablauf und kündigte die Verwerfung der Berufung an.

Der Anwalt beantragte Wiedereinsetzung mit der Begründung, das Gericht hätte ihn auf das offenkundige Versehen hinweisen müssen – schließlich sei die Berufungsbegründung die einzige noch laufende Frist gewesen.

Keine Pflicht des Gerichts zur Fehlerkorrektur

Der BGH wies diese Argumentation zurück. Zwar könne eine gerichtliche Fürsorgepflicht aus dem Gebot des fairen Verfahrens in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgen, jedoch seien dieser im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz Grenzen gesetzt.

Für das Landgericht sei nicht "offen zutage" getreten, dass eigentlich die Berufungsbegründung hätte übermittelt werden sollen. Eine anderweitige Auslegung würde auf eine weitgehende Verlagerung der Verantwortung für die Ausgangskontrolle vom Absender auf das Gericht hinauslaufen.

Der BGH unterscheidet diesen Fall deutlich von anderen Konstellationen, in denen Gerichte bereits zu Hinweisen verpflichtet wurden – etwa wenn ein Schriftsatz bei einem unzuständigen Gericht eingegangen ist.

Anwaltliche Organisationspflicht bleibt unverzichtbar

Mit besonderer Deutlichkeit betont der BGH die anwaltlichen Sorgfaltspflichten: Ein Rechtsanwalt müsse durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht.

Wesentlich für die Praxis: Obwohl die Ausgangskontrolle grundsätzlich auf zuverlässiges Kanzleipersonal übertragen werden darf, muss der Anwalt bei Personalabwesenheit selbst für eine wirksame Kontrolle sorgen. Im vorliegenden Fall habe der Anwalt nicht einmal dargelegt, dass überhaupt eine Ausgangskontrolle stattgefunden habe.

Die Entscheidung verdeutlicht die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt im elektronischen Rechtsverkehr. Für den betroffenen Anwalt dürften nun Haftungsansprüche seitens des Mandanten im Raum stehen.

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