Paradoxer Kollateraleffekt des Handelskonflikts: Signifikanter Rückgang der Gaspreise

11.04.2025
11.04.2025
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Die protektionistischen Maßnahmen der US-Administration führen zu einem unerwarteten Nebeneffekt: Ein Preisrückgang von zwölf Prozent an den europäischen Gasmärkten könnte energieintensiven Industriezweigen in Deutschland Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Markante Preiskorrektur als Reaktion auf Zollmaßnahmen

Die Ankündigung umfassender Zollerhöhungen durch US-Präsident Donald Trump am 2. April hat signifikante Auswirkungen auf die europäischen Energiemärkte: Der Referenzpreis für eine Megawattstunde Gas an der maßgeblichen niederländischen TTF-Börse verzeichnete einen kontinuierlichen Abwärtstrend und notierte am Montagvormittag bei circa 35 Euro – ein Rückgang von zwölf Prozent gegenüber dem Niveau vor der Zollankündigung.

Marktanalysten führen diese Entwicklung primär auf Erwartungen einer rückläufigen industriellen Produktion zurück. „Die Zölle werden voraussichtlich für eine Inflation und für einen Rückgang der Nachfrage nach Industrieprodukten sorgen", konstatiert Aura Sabadus, Gasmarktexpertin des Analysehauses ICIS. Diese Einschätzung wird von Walter Boltz von Baker McKenzie bestätigt: „Durch den Zollstreit wird voraussichtlich die industrielle Produktion auf der ganzen Welt zurückgehen. Damit sinken auch die Gaspreise."

Besonders relevant erscheint in diesem Kontext die Nachfrageentwicklung in China, das von besonders hohen US-Zöllen betroffen ist und bereits mit Gegenmaßnahmen reagiert hat. Ein Rückgang der chinesischen Industrieproduktion würde sich unmittelbar auf die globale Gasnachfrage auswirken.

Strategische Implikationen für energieintensive Industrien

Für die energieintensive deutsche Industrie könnte diese Preiskorrektur – parallel zu den negativen Effekten des Handelskonflikts – potenzielle Wettbewerbsvorteile generieren. Sabadus prognostiziert: „Europa könnte von den niedrigeren Gaspreisen profitieren. Wir könnten ein Wiedererwachen von Schlüsselindustrien wie der Düngemittelindustrie und der Chemieindustrie erleben, die von den hohen Gaspreisen schwer getroffen wurden."

Diese Einschätzung wird durch Boltz' Analyse ergänzt: „Es ist denkbar, dass Deutschland von den niedrigeren Gaspreisen profitiert, weil China weniger Gas nachfragt und somit mehr Gas für Deutschland übrig bleibt." Gleichwohl relativiert er diesen potenziellen Vorteil durch den Hinweis auf die negativen Folgen der Zollspiralen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

Beide Experten stimmen in der Bewertung überein, dass der Preisrückgang keine temporäre Marktreaktion darstellt, sondern eine strukturelle Neubewertung – vorausgesetzt, die angekündigten Zollkonditionen werden implementiert. Erste Anzeichen für die Sensitivität des Marktes zeigten sich am Montagmittag, als der Gaspreis nach einem EU-Angebot zum Freihandel mit Industriegütern an die USA prompt um ein Prozent anstieg.

Mittelfristige Marktperspektiven und Einflussfaktoren

Trotz gegenläufiger Faktoren – wie substanzieller Gaseinkäufe der Ukraine zur Speicherfüllung nach einem entleerenden Winter – deutet die Grundtendenz auf anhaltend moderate Gaspreise hin. Die saisonale Komponente verstärkt aktuell den Abwärtstrend, da im Frühjahr die heizungsbedingte Nachfrage sinkt.

Die langfristige Marktentwicklung wird von divergierenden Faktoren geprägt:

  • Die Transition weg von fossilem Gas in Europa verläuft langsamer als initiativ prognostiziert. Eine aktuelle McKinsey-Analyse projiziert bis 2030 lediglich einen Nachfragerückgang von zehn Prozent.
  • Die EU-Kommission evaluiert Optionen zur Förderung langfristiger Gaslieferverträge für Unternehmen, um die Preisstabilität zu verbessern.
  • Die US-LNG-Exportkapazitäten werden unabhängig von aktuellen handelspolitischen Maßnahmen massiv ausgebaut: Von derzeit 93 Millionen Tonnen jährlich auf circa 200 Millionen Tonnen bis 2030 (Bloomberg NEF). Bereits für das laufende Jahr prognostiziert Montel eine Steigerungssrate von 15 Prozent.

Die jüngst in Betrieb genommenen Großprojekte in Corpus Christi (Texas) und Plaquemines (Louisiana) waren bereits unter der Biden-Administration initiiert worden und tragen zur strukturellen Angebotserweiterung bei, die Marktexperten zu einer längerfristigen Einschätzung moderater Gaspreise veranlasst.

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