Bayers Glyphosat-Albtraum: Supreme Court soll Wende bringen

Trotz tausender Vergleiche kämpft der Leverkusener Konzern weiter gegen Milliardenklagen – nun mit einer neuen Rechtsstrategie auf höchster Ebene.
Strategischer Vorstoß zum obersten US-Gericht
Bayer unternimmt einen erneuten Anlauf, die rechtliche Dauerkrise um das glyphosathaltige Herbizid Roundup grundsätzlich zu lösen. Nachdem der Missouri Supreme Court kürzlich eine Prüfung im Fall "Durnell" ablehnte, beantragte die US-Tochter Monsanto nun die Überprüfung durch den US Supreme Court. Der Kläger hatte im Oktober 2023 Schadensersatz in Höhe von 1,25 Millionen Dollar zugesprochen bekommen. Das zentrale Rechtsargument: Die konzerninternen Juristen setzen auf das Prinzip der "Federal Preemption" – die Frage, ob US-Bundesrecht im Bereich der Warnhinweise für Unkrautvernichter Vorrang vor dem Recht der Bundesstaaten genießt. Konkret verweist Bayer auf widersprüchliche Urteile verschiedener Berufungsgerichte und die "Unmöglichkeit, einander widersprechenden Anforderungen auf Bundes- und auf Bundesstaatenebene gleichzeitig zu entsprechen".
Wissenschaftliche Kontroverse und regulatorisches Dilemma
Die rechtliche Ausgangslage wird durch divergierende Einschätzungen der Gesundheitsrisiken erschwert. Während die US-Umweltbehörde EPA Glyphosat bei vorschriftsgemäßer Anwendung als unbedenklich einstuft und entsprechend Produktlabel ohne Warnhinweise genehmigt, klassifizierte die Krebsforschungsagentur der WHO das Herbizid 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Diese regulatorische Diskrepanz bildet den Nährboden für die rechtlichen Auseinandersetzungen, die Bayer seit der 63 Milliarden Dollar schweren Monsanto-Übernahme 2018 belasten.
Massive Klageflut und Milliardensummen
Die Dimension des Rechtsproblems zeigt sich in beeindruckenden Zahlen: Aktuell sind laut Konzernangaben noch 181.000 Klagen anhängig, wovon 114.000 durch Vergleiche beigelegt wurden oder die Voraussetzungen für einen Vergleich nicht erfüllten. Erst kürzlich verurteilte ein Gericht in Georgia Bayer zu einer Schadenersatzzahlung von 2,1 Milliarden Dollar an einen Kläger, der seine Krebserkrankung auf die Verwendung von Roundup zurückführt. Der aktuelle Vorstoß zum Supreme Court ist nicht der erste Versuch des Konzerns, eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen. Bereits 2022 hatte Bayer versucht, den "Hardeman"-Fall vor das oberste US-Gericht zu bringen – damals lehnte das Gericht eine Befassung ab. Die anhaltende Rechtsunsicherheit belastet nicht nur die Bilanz des Leverkusener Konzerns erheblich, sondern bindet auch beträchtliche personelle und finanzielle Ressourcen, die für zukunftsweisende Entwicklungen fehlen.