Oberlandesgericht weist wegweisende Klimahaftungsklage ab – Präzedenzfall für künftige Verfahren

03.06.2025
03.06.2025
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Das Oberlandesgericht Hamm hat eine bahnbrechende Entscheidung zur zivilrechtlichen Klimahaftung gefällt. In einem seit 2016 anhängigen Verfahren scheiterte ein südamerikanischer Kläger mit seinen Schadensersatzforderungen gegen RWE, obwohl die Richter grundsätzliche Haftungsmöglichkeiten für Großemittenten bejahten.

Internationaler Rechtsstreit mit deutscher Pionierstellung

Saúl Luciano Lliuya, ein Landwirt aus den peruanischen Anden, hatte den deutschen Energiekonzern auf 17.000 Euro Schadensersatz verklagt. Seine Argumentation: RWEs CO₂-Emissionen aus der Braunkohleverstromung tragen zum globalen Klimawandel und damit zur Gletscherschmelze in seiner Heimat bei. Diese Entwicklung bedrohe sein Anwesen durch potentielle Flutwellen aus Gletscherseen. Der Fall galt als erste Klimahaftungsklage gegen ein europäisches Unternehmen und wurde international als Testballon für die zivilrechtliche Durchsetzung von Klimaschutzansprüchen beobachtet. Die umfangreiche Beweisaufnahme umfasste sogar eine mehrtägige Ortsbesichtigung in Peru im Mai 2022.

Rechtliche Weichenstellung trotz Klageabweisung

Trotz der Niederlage für den Kläger setzte das OLG Hamm wichtige juristische Signale. Die Richter bestätigten grundsätzlich, dass nach § 1004 BGB Ansprüche gegen CO₂-Verursacher bestehen können. Auch die geografische Distanz zwischen Emissionsquelle und Schadensort stelle kein prinzipielles Hindernis dar. Diese Rechtsauffassung widersprach explizit der Vorinstanz, die eine Einzelunternehmen-Haftung für globale Klimaeffekte kategorisch abgelehnt hatte. Das OLG ebnete damit den Weg für künftige Klimahaftungsklagen mit besserer Beweislage.

Beweislast als entscheidende Hürde

Die konkrete Klageabweisung erfolgte aufgrund unzureichender Kausalitätsnachweise. Das Gericht bewertete die Wahrscheinlichkeit einer Hausbedrohung durch Gletschersee-Überschwemmungen in den nächsten drei Jahrzehnten auf lediglich ein Prozent. Diese geringe Gefährdungswahrscheinlichkeit reiche nicht für konkrete Schutzansprüche aus. Mit der endgültigen Entscheidung (Az. 5 U 15/17) wurde keine Revision zugelassen, wodurch das Urteil rechtskräftig ist. Dennoch dürfte die grundsätzliche Haftungsbejahung Signalwirkung für zukünftige Verfahren entfalten.

Hochkarätige Anwaltsvertretung auf beiden Seiten

Die Klägerseite wurde von der Hamburger Umweltrechtsspezialistin Dr. Roda Verheyen von Günther geführt, unterstützt durch Clara Goldmann und John Peters. Die Finanzierung erfolgte durch die Stiftung Zukunftsfähigkeit, während Germanwatch öffentlichkeitswirksame Begleitung leistete. RWE vertraute auf ein dreiköpfiges Kanzleienkonsortium: Freshfields Bruckhaus Deringer mit Dr. Moritz Becker und der neu beförderten Partnerin Stefanie Spancken-Monz führte die Konfliktlösung. Die 2018 gegründete Boutique Posser Spieth Wolfers & Partners steuerte öffentlich-rechtliche Expertise bei, während Mayer Brown durch Jan-Henning Buschfeld ergänzte.

Strategische Bedeutung für Klimarechtsstreitigkeiten

Obwohl RWE siegreich blieb, etablierte das Verfahren wichtige Präzedenzien für die aufkommende Klimarechtsprechung. Die grundsätzliche Bejahung von Einzelemittenten-Haftung bei nachweisbaren Schäden könnte künftige Kläger ermutigen, präzisere Kausalitätsnachweise zu entwickeln. Die Entscheidung verdeutlicht gleichzeitig die hohen Beweisanforderungen bei internationalen Klimaklagen und unterstreicht die Komplexität der Verknüpfung zwischen lokalen Emissionen und globalen Klimaeffekten. Für die Energiewirtschaft schafft das Urteil Rechtssicherheit bei gleichzeitiger Warnung vor gut dokumentierten Schadensfällen.