Legal Tech Revolution: Lufthansa digitalisiert Massenklagemanagement mit KI

Die strategische Digitalisierungsoffensive der Rechtsabteilung des Luftfahrtriesen zeigt, wie KI-gesteuerte Prozesse die Kosteneffizienz im Justiziariat transformieren können.
Disruptive Transformation analoger Rechtsabteilungsprozesse
Inmitten einer Rekordwelle von Fluggastklagen – laut Deutschem Richterbund rund 131.000 Verfahren im vergangenen Jahr – hat die Deutsche Lufthansa ihre Prozessbearbeitung radikal neu konzipiert. Unter dem Projektnamen "Paladin" erfolgte eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung der Klagebearbeitung, die bisher durch manuelle Papierprozesse dominiert wurde. Russell Green, Principal IT Consultant bei Lufthansa Industry Solutions und Projektleiter, charakterisiert die Ausgangssituation prägnant: "Täglich trafen Faxe und Kisten voller gelber Briefe ein, die von Hand geöffnet und abgelegt werden mussten."
Implementierungsstrategie und Technologiearchitektur
Die Realisierung erfolgte in einem zweistufigen Ansatz: Zunächst wurde eine konsolidierte Datenplattform implementiert, die sämtliche relevanten Informationen aus Konzerngesellschaften integriert. In einem zweiten Schritt erfolgte die Einführung einer KI-gestützten Case-Management-Lösung des Legal-Tech-Anbieters June. Die 2020 gegründete Plattform etabliert eine "Single Source of Truth" für alle Verfahrensbeteiligten – sowohl die interne Rechtsabteilung als auch externe Kanzleien arbeiten künftig ausschließlich in diesem System.
Algorithmische Prozessoptimierung
Die June-Plattform nutzt künstliche Intelligenz, um eingehende Dokumente automatisch zu klassifizieren, relevante Informationen wie Fristen, Termine und Verfahrensbeteiligte zu extrahieren und regelbasierte Entscheidungsvorschläge zu generieren. Besonders bemerkenswert ist die Integration mit dem Besonderen elektronischen Anwaltspostfach (BeA), wodurch der physische Dokumentenfluss signifikant reduziert wird. June-CEO Björn Frommer betont die entscheidenden Funktionalitäten: "June unterstützt bei der effizienten Steuerung der Aufgaben zwischen den Teams, kann bei der Erstellung von Schriftsätzen unterstützen und vor allem auf Knopfdruck den aktuellen Stand der Verfahren in Real Time berichten."
Skalierbarkeit als zentraler Erfolgsfaktor
Das Projekt wurde mit Blick auf Skalierbarkeit konzipiert. Sebastian Thies, Projektleiter der Implementierung bei Lufthansa, hebt die modulare Architektur hervor, die einen Roll-out bei Tochterunternehmen oder für internationale Verfahren ohne signifikanten Zusatzaufwand ermöglicht. Diese Skalierbarkeit sichert nicht nur zukünftige Effizienzgewinne, sondern maximiert auch den ROI der Digitalinvestition.
Change Management als kritischer Erfolgsfaktor
Die primäre Implementierungshürde lag nicht im technologischen, sondern im organisatorischen Bereich. Die Koordination der heterogenen Stakeholder – von IT-Dienstleistern über Inhouse-Juristen und Datenkoordinatoren bis zu externen Kanzleien – stellte die zentrale Herausforderung dar. Green resümiert: "Alle Beteiligten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen, von den IT-Dienstleistern über Inhouse-Juristen und Datenkoordinatoren bis hin zu June und den Kanzleien – das war eine der größten Herausforderungen!"
Die Transformation repräsentiert einen Paradigmenwechsel für Konzernrechtsabteilungen und illustriert, wie datengetriebene Entscheidungsprozesse und KI-unterstützte Automation die Effizienz im Rechtsbereich revolutionieren können.