KI als Produktivitätskatalysator: Moderate, aber signifikante Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft

Das IW Köln prognostiziert in einem aktuellen Gutachten eine deutliche, aber nicht revolutionäre Produktivitätssteigerung durch KI-Technologien – mit potenziellen BIP-Effekten von 3 Prozent innerhalb der kommenden Dekade.
Rückkehr zu höheren Wachstumsraten durch KI-Implementation
Die deutsche Wirtschaft könnte durch den systematischen Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu einem stabileren Produktivitätswachstum zurückfinden. Dies ist das Kernergebnis eines Gutachtens des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen gewerblichen Wirtschaft. Nach Jahren kontinuierlich sinkender Produktivitätszuwächse – 2024 lag die Rate bei nur noch 0,4 Prozent – projiziert das Institut für 2025 bis 2030 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,9 Prozent, das im Zeitraum 2031 bis 2040 auf 1,2 Prozent ansteigen könnte.
Bemerkenswert: Rund zwei Drittel dieser prognostizierten Steigerung sind auf KI-Effekte zurückzuführen. "KI ist der größte technologische Hebel, den wir haben", betonte IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt bei der Präsentation in Berlin. Die Technologie könnte in den nächsten zehn Jahren Wachstumsimpulse in Höhe von rund 3 Prozent des BIP generieren.
Differenzierte Potenzialanalyse statt Automatisierungsängste
Entgegen verbreiteten Befürchtungen sieht das Gutachten keine Anzeichen dafür, dass KI primär als "Jobkiller" wirken wird. Die empirische Evidenz deute vielmehr darauf hin, dass Produktivitätsgewinne auf Arbeitsplatzebene keine Automatismen seien, sondern von spezifischen Implementierungsbedingungen abhingen.
Die Nutzung bleibt jedoch hinter dem Potenzial zurück: 58 Prozent der abhängig Beschäftigten haben 2024 noch überhaupt nicht mit KI-Systemen gearbeitet, und nur 10,3 Prozent schätzen sich selbst als KI-erfahren ein. Zugleich wächst die "KI-Nähe" von Berufen kontinuierlich – inzwischen weist etwa ein Drittel aller Tätigkeiten Berührungspunkte mit der Technologie auf, wobei der Anteil bei Experten mit 11,7 Prozent besonders hoch ist.
Implementierungshürden in der deutschen Unternehmenslandschaft
Auf Unternehmensseite existieren noch erhebliche Adoptionsbarrieren: 80 Prozent der deutschen Firmen geben an, kein tragfähiges Geschäftsmodell für KI-Anwendungen zu kennen. Das IW empfiehlt einen pragmatischen Einstieg anstelle großer Transformationsprojekte. Bardt rät: "Ein deutsches Unternehmen muss nicht unbedingt ein großes Sprachmodell aufbauen." Vielmehr ließen sich mit vorhandener IT-Infrastruktur, Servern und Unternehmensdaten bereits spezifische Anwendungsfälle realisieren – etwa die KI-gestützte Analyse von Ausschreibungen.
Der Mittelstand verfüge grundsätzlich über die Ressourcen für solche Implementierungen, wobei die DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov an die Unternehmen appellierte, durch KI-Einsatz "ein bisschen mehr rauszuholen" und "die entscheidende Nasenlänge" Wettbewerbsvorsprung zu gewinnen.
Regulatorisches Umfeld als entscheidender Erfolgsfaktor
Das Gutachten betont die Bedeutung praktikabler Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen KI-Einsatz. Die Umsetzung des EU AI Acts müsse "handhabbar" sein – durch konkrete Umsetzungshilfen, Checklisten und bewährte Praxisbeispiele. Gleichzeitig seien flankierende Maßnahmen erforderlich: verbesserter Zugang zu digitaler Infrastruktur, Fachkräfteentwicklung sowie strukturelle Reformen im Steuer- und Energiesystem.
Polina Khubbeeva vom BDI begrüßte zwar prinzipiell den EU-Ansatz mit KI-Fabriken, kritisierte jedoch die unzureichenden Fördersummen. Sie plädierte für eine stärkere Wettbewerbsorientierung der europäischen Politik, etwa durch einen Cloud Development Act.
Trotz aller KI-Potenziale mahnte Bardt angesichts des demografischen Wandels auch strukturelle Anpassungen an: "Wir müssen verhindern, dass die Zahl der Arbeitsstunden zu sehr durchsackt." Daher müsse parallel zur Technologieadoption auch "über eine längere Wochen- und Lebensarbeitszeit" nachgedacht werden.