Gehaltstransparenz als Compliance-Imperativ: EU-Richtlinie forciert Handlungsbedarf bei deutschen Unternehmen

20.03.2025
20.03.2025
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Die bevorstehende EU-Entgelttransparenzrichtlinie ab Juni 2026 stellt deutsche Unternehmen vor erhebliche organisatorische und compliance-relevante Herausforderungen – während Early Adopters bereits von strategischen Wettbewerbsvorteilen profitieren.

Erhebliche Umsetzungsdefizite im europäischen Vergleich

Die Implementierung transparenter Gehaltsstrukturen in deutschen Unternehmen weist im europäischen Vergleich signifikante Defizite auf. Laut aktueller Erhebungen der Jobplattform Indeed enthalten nur 15,8 Prozent aller Stellenausschreibungen in Deutschland transparente Gehaltsangaben. Selbst unter Einbeziehung von Tarifverweisen steigt dieser Wert lediglich auf 23,7 Prozent.

Diese Quote kontrastiert deutlich mit der Situation in anderen führenden europäischen Volkswirtschaften: Großbritannien (69,7 Prozent), Frankreich (50,7 Prozent), die Niederlande (45,3 Prozent) und Irland (40,3 Prozent) weisen substantiell höhere Transparenzquoten auf. Lediglich Italien rangiert mit 19,3 Prozent in einer ähnlichen Größenordnung wie Deutschland.

Best-Practice-Beispiel: Systematischer Implementierungsansatz bei Innogames

Das Gaming-Unternehmen Innogames demonstriert einen erfolgreichen Ansatz zur systematischen Implementation von Gehaltstransparenz. Nach einem mehrjährigen Entwicklungsprozess hat das Unternehmen umfassende Gehaltsbänder etabliert, die nicht nur in Stellenausschreibungen, sondern auch für bestehende Mitarbeiter transparent zugänglich sind.

"Was jemand als faire Vergütung ansieht, ist sehr individuell", erläutert Sandra Wandschneider, Personalverantwortliche bei Innogames. Trotz initialer Herausforderungen und temporärer Unzufriedenheit während der Implementierungsphase berichtet das Unternehmen von signifikanten Vorteilen, insbesondere im Recruiting-Prozess: Nach Veröffentlichung der Gehaltsbänder konnte Innogames einen messbaren Anstieg an Bewerbungen verzeichnen und auch länger vakante Positionen erfolgreich besetzen.

Regulatorischer Paradigmenwechsel durch EU-Richtlinie

Mit der ab Juni 2026 wirksamen EU-Entgelttransparenzrichtlinie steht deutschen Unternehmen ein fundamentaler regulatorischer Paradigmenwechsel bevor. Die Richtlinie etabliert nicht nur ein Recht der Bewerber auf präzise Gehaltsangaben in Stellenausschreibungen, sondern erfordert auch die Offenlegung von Durchschnittseinkommen für vergleichbare Positionen, differenziert nach Geschlecht.

Diese regulatorischen Anforderungen erzwingen proaktives Handeln: "Für Unternehmen geht es eigentlich nur noch um die Frage, ob sie unter den Ersten sein und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen oder nicht", konstatiert Wandschneider. "Firmen, die unter die Direktive fallen, kann ich nur raten, das Thema mit voller Kraft anzugehen, um so schnell wie möglich von den Vorteilen profitieren zu können."

Erforderliche Implementierungsmaßnahmen und Compliance-Risiken

Die Umsetzung der Transparenzanforderungen erfordert substanzielle Ressourcen für interne Analysen und regelmäßige Entgelt-Audits. Diese müssen eine gerechte Gehaltsstruktur sowohl für aktuelle als auch für künftige Mitarbeiter sicherstellen und kontinuierlich aktualisierte Daten bereitstellen, um Entgeltungleichheiten identifizieren zu können.

Die strategische Bedeutung der Gehaltstransparenz geht dabei über die reine Compliance hinaus. Indeed-Ökonomin Lisa Feist erläutert: "Studien verweisen immer wieder auf die Vorteile von Gehaltstransparenz in Stellenanzeigen. Sie sorgt dafür, dass Beteiligte gut informiert in Gehaltsverhandlungen gehen, was sich positiv auf Lohngerechtigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit auswirkt."

Deutsche Unternehmen nutzen Gehaltstransparenz bislang primär "als strategisches Mittel zur Personalgewinnung" in Situationen mit hohem Wettbewerbsdruck, ohne sie systematisch zu implementieren. Diese rein taktische Herangehensweise wird angesichts der bevorstehenden regulatorischen Anforderungen nicht mehr ausreichend sein.

Bei Verstößen gegen die EU-Richtlinie drohen Unternehmen empfindliche Sanktionen. Die verbleibende Zeit bis zum Inkrafttreten sollte daher für eine strukturierte Vorbereitung und Implementation entsprechender Prozesse und Systeme genutzt werden.

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